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Aktuelles | El-Kothany, Helga | 07.11.2023 – 06.03.2024

Feindflieger - Täter oder Opfer?

Beim letzten Stammtisch des Zabergäuvereins vor der Sommerpause referiert der Hausener Heimatforscher Günter Keller über ein Thema, das am Ende angeregt und teilweise auch kontrovers diskutiert wird.
Keller stellt sein Buch „Feindflieger – Täter und Opfer“ vor und versucht, im Vortrag zwei Fragen zu beantworten: Was hat ihn bewogen, das Buch schreiben? Wie kommt es zu dem Steinkreuz im Maisenhölzle?
In seinem Buch geht es um ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte, den real existierenden Nationalsozialismus, nicht irgendwo, sondern hier im Zabergäu, das sich „bis in die letzten Kriegswochen widerspruchslos in das diktatorische System gefügt und es mitgetragen [hat].“
Opposition birgt die Gefahr der Todesstrafe.
Über das Ereignis der „Fliegermorde“ wird bereits in Büchern und Zeitungsartikeln geschrieben. Von dem im Maisenhölzle vergrabenen erschossenen amerikanischen Soldaten hat Keller schon als Jungscharkind gehört, hat in der Nähe des Grabes gespielt.
Die widersprüchlichen Varianten um das Geschehen am 24. März 1945 recherchiert er gründlich, wobei ihm viele glückliche Zufälle zu Hilfe kommen. Aufschlussreich ist dabei ein Satz des geschichtlich interessierten Dürrenzimmerner Landwirts Walter Haug: „Die Mulde sieht man jetzt noch.“ Ein Spaziergang bestätigt die Aussage.
Was Keller jedoch neben den Fakten, die er aufschreibt, bewegt, ist die Frage nach Tätern und Opfern im Krieg. Die Tatsache, dass der Gegner immer als „Terrorist“ gesehen wird, kann er so nicht stehenlassen. Der von den Nazis heimtückisch erschossene Soldat habe schließlich für unsere heutige Demokratie gekämpft. Parallelen in Kriegen ließen sich bis heute ziehen.
Er stellt sich auch die Frage, wie man sich in einer Diktatur verhält. Abhauen? Mitmachen? Für den Führer sterben? Gegen den Führer sterben? Und: Soldaten im Krieg müssen tun, was sie tun müssen. Auf beiden Seiten.
Auch die Frage der Verantwortung für etwas, das vor Jahren passiert ist, beschäftigt Keller. Eine Antwort finde man zum Beispiel bei Hannah Arendt, die zwischen persönlicher und politischer Verantwortung unterscheide.
Dass an der Stelle des Mordes an dem jungen Amerikaner Sheldon Anderson ein Steinkreuz aufgestellt wird, geht auf eine Idee zurück, die bei einer Mitgliederversammlung des Hausener Heimatvereins aufgekommen ist. Ein Mahnkreuz, das an das Geschehen und an den Menschen erinnert.
Keller versucht auch das Bild der „Terror Flyers“, die einige Anwesende noch aus eigener Erinnerung oder aus Erzählungen kennen, zurechtzurücken.
Ein Fotoapparat in der Nase der amerikanischen Flugzeuge, die durchaus den Menschen, über die sie hinwegfliegen, Angst einjagen, verhindert, dass sie zivile Ziele zerstören. Anders als beispielsweise englische Flieger. Aber die Nazipropaganda stempelt sie dennoch natürlich als Terroristen ab.
Keller möchte keine Vorfahren schuldig sprechen, auch keine persönliche Verantwortung übernehmen, aber politisch solle man für die eigene Geschichte geradestehen.
Wichtig für ihn ist daher das Kreuz, das genau 78 Jahre nach dem Tod an Sheldon Anderson dort aufgestellt wird, wo man ihn hinterrücks erschossen und begraben hat.

Ein Kreuz zur Sühne und eine Mahnung gegen das Vergessen. Ein Kreuz für die Demokratie, die auch heute wieder verteidigt werden muss.