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Aktuelles | El-Kothany, Helga | 16.05.2025
Mai-Stammtisch: Lebensraum „Weißer Steinbruch“ vor 200 Millionen Jahren
Klein, gefährlich, sensationell
Dank Bachelorarbeit wird Pfaffenhofen zu einem weltweit einmaligen Fundort
Nicht nur der Ort für den Mai-Stammtisch des Zabergäuvereins ist außergewöhnlich. Kein Nebenzimmer in einem Lokal, sondern die Wilhelm-Widmaier-Halle in Pfaffenhofen. Und auch die 150 Gäste überschreiten weit die übliche Teilnehmerzahl. Hätte man jedoch ahnen können, welche Sensation für den Ort an dem Abend verkündet würde, wären vielleicht noch mehr Interessierte gekommen.
In ihrem Grußwort nimmt Bürgermeisterin Carmen Kieninger das Publikum mit in die Zeit, in der der Vortrag der Referentin Emma Koska, basierend auf deren Bachelorarbeit, spielt: auf den Stromberg vor 200 Millionen Jahren!
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Bereits 1909 hat man im Weißen Steinbruch fossile Knochenteile aus der Obertrias gefunden. Welche Erkenntnisse man daraus gewinnen kann, was sich Erstaunliches daraus ergibt, erklärt Emma Koska in einem sowohl hervorragend strukturierten als auch anschaulich bebilderten, informativen Referat.
Das Thema Ihrer Arbeit: Die Tetrapoden aus der Obertrias von Pfaffenhofen (Stromberg, Deutschland) und ihre Lebensräume. Träger der Bachelorarbeit sind die Universität Hohenheim sowie das Naturkundemuseum Stuttgart, dessen Kurator Prof. Dr. Rainer Schoch, er ist auch Professor für Paläontologie in Hohenheim, unter den Zuhörern ist.
Schritt für Schritt führt die junge Biologin in die wissenschaftlichen Begriffe ein und lässt ein Bild von der Urheimat entstehen, in der sich die Landwirbeltiere mit vier Gliedmaßen - Tetrapoden - bewegen: Amphibia, Sauropsida, Mammalia.
Aus der Zeit stammen die Gesteinsschichten Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper. Die fossilen Funde tauchen oft auf beim Abbau von Stubensandstein, der sich hier gebildet hat und den man zum Hausbau verwendet.
Bei den Funden lassen sich acht Tiergattungen unterscheiden, Tiere, die zu Wasser und/oder zu Land und in der Luft leben, Fleisch- und Pflanzenfresser, vom sechs Meter langen, pflanzenfressenden Sellosaurus bis zum nur vierzig Zentimeter großen Raubdinosaurier auf zwei Beinen.
Was Pfaffenhofen so besonders macht, wie später Prof. Dr. Rainer Schoch bemerkt, ist nicht die Anzahl der Funde - die ist zum Beispiel in Trossingen deutlich höher -, sondern die Vielfältigkeit.
Den ersten Fund macht 1906 der Stuttgarter Geologe und Paläontologe Eberhard Fraas, und zwar ein Rumpfstück eines Aetosaurus, der in feuchten Gebieten an Land lebt. Er ist keine Schönheit, sodass man ihn als „gepanzerte Vogelechse mit Schweinsnase” bezeichnet. Über ihn hat auch Otto Linck geforscht.
Faszinierend sind die Erkenntnisse aus den Knochenfunden, von denen die auch künstlerisch begabte Emma Koska hervorragende Zeichnungen anfertigt, die die Besonderheiten wesentlich deutlicher darstellen als die Fotografien.
Anhand der Gebissstruktur lassen sich Fleisch- und Pflanzenfresser unterscheiden, was gut nachvollziehbar ist. Ebenso, dass man von der Größe einer Kralle auf die Körpergröße schließen kann. Erstaunliches sagt aber auch die Knochenfarbe aus. Ist sie eher rötlich, spricht das für Oxidation durch UV-Strahlen. Ist sie dunkel, liegen Wassereinlagerungen vor. Das Tier ist dann wohl im Wasser verendet. Ist sie hell, verstarben die Tiere an Land.
Ist der Sellosaurus der Vorfahre der größten Tiere der Erde, der Dinosaurier, gehört der Cyclotosaurus, ein Konkurrent zu frühen Krokodilen, mit einer beeindruckenden Schädellänge von 65 Zentimetern zu den größten Lurchen der Erdgeschichte.
Manche Tiere leben zur gleichen Zeit.
Im Stromberg herrschen mal feuchte, mal trockene Zeiten.
Und dann setzt Emma Koska das Publikum mit dem Fossil eines Tiers mit kompliziertem Namen in Erstaunen: mit dem bereits zuvor schon erwähnten, nur 40 Zentimeter großen, terrestrisch in trockenem Gebiet lebenden Raubsaurier, dem PROCOMPSOGNATHUS, von dem es weltweit nur EIN FUNDSTÜCK und EINE ART gibt: im STROMBERG!
Und das ist nicht alles! Prof. Dr. Rainer Schoch ist noch einer weiteren Spezies hier auf der Spur! Was genau, bleibt jedoch noch ein Geheimnis, bis alle Forschungen abgeschlossen sind.
Kein Wunder, dass der Vorsitzende des Zabergäuvereins Ulrich Peter die heimatverbundene, junge Biologin, die seit Kurzem als Archivarin in Güglingen tätig ist, als Glücksfall für das Zabergäu bezeichnet. Und auch Bürgermeisterin Carmen Kieninger ist begeistert ob der Aussichten, die sich für Pfaffenhofen aus diesen Funden - hoffentlich - ergeben können.
Als kleines i-Tüpfelchen nach dieser durchaus spektakulären Erkenntnis gibt es für die Gäste noch einen Plateosaurus - in mundgerechter Größe, süß und essbar.